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Baukultur und Nachhaltigkeit: Eine Verbindung für die Zukunft

Baukultur und Nachhaltigkeit sind eng miteinander verbunden. Beide spielen eine zentrale Rolle bei der Gestaltung unserer gebauten Umwelt. Wir gehen im Fachwerk 2024 der Frage nach, welchen Beitrag das gebaute Kulturerbe konkret an eine nachhaltige Entwicklung leistet.

Langlebiges Baudenkmal – Der geschichtsträchtige Gasthof «Kreuz» in Worb (Foto: Roland Juker).

Nachhaltigkeit – der Begriff ist allgegenwärtig und prägt unseren Alltag wie nie zuvor. Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und der Verlust von Biodiversität machen deutlich, dass ein achtsamer Umgang mit unserem Planeten unerlässlich ist. Insbesondere bei Fragen zu einer nachhaltigen Gestaltung unserer Umwelt lohnt sich der Blick auf unsere Baukultur in vielerlei Hinsicht.

Historische Bauwerke sind nicht nur Zeugnisse unserer Geschichte, sondern auch Beispiele für bewährte nachhaltige Praktiken. Sie basieren auf erprobten Konzepten, die zeigen, wie Gebäude, Städte und Landschaften so gestaltet, genutzt und erhalten werden können, dass sie den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung gerecht werden.

Baudenkmäler sind in der Regel langlebig und reparierbar, da sie für eine langfristige Nutzung konzipiert wurden. Die Nutzung über Jahrhunderte hinweg trägt dazu bei, die in ihnen gebundene graue Energie zu bewahren und somit unseren ökologischen Fussabdruck zu minimieren. Zudem wurde bei der Erstellung historischer Gebäude traditionell auf natürliche und beständige Baumaterialien aus der Region zurückgegriffen. Dies gilt weiterhin auch für ihre Instandstellung, was nicht nur die lokale Wirtschaft fördert, sondern auch wertvolle Ressourcen schont und die Umwelt schützt.

Indem wir diese zentralen Prinzipien der historischen Baukultur in moderne Planungs- und Sanierungsprozesse integrieren, leisten wir einen bedeutenden Beitrag zur Schaffung einer nachhaltigeren Zukunft.

Aspekte der Nachhaltigkeit

Der Begriff «Nachhaltigkeit» stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft des frühen 18. Jahrhunderts. Er beschreibt das Prinzip, dass stets nur so viel Holz geschlagen werden soll, wie durch planmässige Aufforstung nachwachsen kann. Seit den 1960er Jahren steht die Forderung nach einer nachhaltigen Entwicklung vorab im Zusammenhang mit Umweltproblemen. Es wurden seither Strategien, Modelle und Massnahmen entwickelt, welche dazu beitragen sollen, der Bedrohung des Lebensraums entgegenzuwirken.

Die meistverwendete Definition von Nachhaltigkeit stammt aus dem sogenannten Brundtland-Bericht von 1987 der Vereinten Nationen: «Dauerhafte (nachhaltige) Entwicklung ist Entwicklung, welche die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können».

Durchgesetzt hat sich auch das sogenannte «Nachhaltigkeitsdreieck», das die ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit als gleichberechtigt ansieht. Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet in diesem Sinn, dass wir unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Nachhaltigkeit kann nur erreicht werden, wenn alle drei Aspekte berücksichtigt werden.

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (UNDP United Nations Development Programme).

Politische Meilensteine in Bezug auf Nachhaltigkeit sind die Deklaration der Rio-Konferenz aus dem Jahr 1992 und die «Agenda 21», mit der ein globales Entwicklungsleitbild entstanden ist. Die Schweiz hat sich zur Umsetzung der «Agenda 2030» der Vereinten Nationen und der damit verbundenen 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) verpflichtet. Die SDGs decken alle Aspekte der Nachhaltigkeit ab. Auf ihrer Grundlage verankerte der Bundesrat in der «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030» die Leitlinien seiner Nachhaltigkeitspolitik (siehe auch Exkurs: Nachhaltigkeit – Vom Brundtland-Bericht zur «Agenda 2030»).

Erhalt als Strategie: Baukultur schont Ressourcen

Beim Bauen werden weltweit die meisten Ressourcen verbraucht. Gebäude sind für mehr als die Hälfte des globalen Müllaufkommens verantwortlich und verursachen 35 Prozent der CO2-Emissionen. Abriss und Neubau prägten die Bautätigkeit der vergangenen Jahrzehnte, der Boden wurde grossflächig überbaut und versiegelt. All dies steht im Gegensatz zum Konzept der Nachhaltigkeit. Die Sanierung und Weiterentwicklung des Bestehenden ist ein Gegenentwurf dazu, der sich auch aufgrund der knapper werdenden Bauflächen zunehmend aufdrängt.

Verglichen mit einem Neubau lassen sich bei einer Sanierung rund zwei Drittel an Material einsparen. Bei einer ganzheitlichen Bewertung von Baustoffen, Produktionsprozessen und Wiederverwertungsmöglichkeiten schneiden Renovierung und Anpassung von Gebäuden besser ab als Abbruch und Neubau. Dies gilt auch für die Energiebilanz: Bei Baudenkmälern lässt sich diese in der Regel stark verbessern, auf den meisten Baudenkmälern sind Photovoltaik- oder Solaranlagen möglich (vgl. auch Fachwerk 2023 zum Thema «Baudenkmal und Energie»). Die Wertschätzung, Erhaltung und Weiterentwicklung des Bestehenden ist daher eine Erfolg versprechende, nachhaltige Strategie.

Damit bestehende Gebäude erhalten bleiben, ist es wichtig, sie an die heutigen Anforderungen und Bedürfnisse anzupassen: Neue Nutzungsmöglichkeiten, mehr Komfort und eine bessere Energieeffizienz sind verlangt. Baudenkmäler sollen dabei aber ihren einzigartigen Charakter und ihre besondere Qualität bewahren können. Sie bieten oft aussergewöhnliche und einzigartige Wohnqualität und sind prädestiniert für kreative, unkonventionelle Lösungen. Durch ihre Weiterverwendung und Entwicklung wird ein Stück Baukultur für die nächste Generation erhalten (siehe Bericht Schüpfen, Ziegelried, oder Ofenhalle Langenthal).

Natürliche Baumaterialien: Gut für Umwelt und Gesundheit

Die Verwendung natürlicher Baumaterialien war früher bei allen Bauten die Regel. Das Holz aus dem eigenen Wald oder der Sandstein aus dem nahen Steinbruch waren ohne hohen Transportaufwand verfügbar. Auf den Baustellen arbeiteten fachkundige Bauleute. Ihr Wissen ist für die Instandsetzung historischer Gebäude immer noch grundlegend. Bei der fachgerechten Sanierung und Reparatur von Baudenkmälern sind Kenntnisse der damaligen Techniken gefragt und es werden dieselben Materialien wie früher verwendet. Anders als moderne Verbundwerkstoffe sind natürliche Materialien einfach verarbeitet, gut recyclebar und reparierbar. Ihre Verwendung schützt die Umwelt und schont Ressourcen (siehe auch Interview zu nachhaltigen Baumaterialien: Architektur mit Verantwortung).

Recycling/Upcycling: Baukultur und Kreislaufwirtschaft

Die originale Bausubstanz ist untrennbar mit dem speziellen Wert eines Baudenkmals verbunden. Jahrhundertealte Holzbalken oder kunstvolles Dekor machen den besonderen Charme eines Baudenkmals aus, sie speichern die Geschichte des Gebäudes. Diese Elemente werden deshalb bestmöglich gepflegt, repariert und erhalten. Die Reparaturfähigkeit von Bauten ist ein wesentlicher Aspekt der Kreislaufwirtschaft. Diese zielt darauf ab, Ressourcen effizient zu nutzen und Materialien möglichst lange in Gebrauch zu halten. So werden die Entstehung von Abfall und die Umweltbelastung reduziert. Wiederverwendung, Reparatur und Recycling sind bei Baudenkmälern seit jeher gang und gäbe.

Im Bauteillager der Denkmalpflege steht für diesen Zweck eine grosse Sammlung historischer Bauteile bereit. Sie stammen aus abgebrochenen Bauten und werden systematisch gesammelt und erfasst. Bei einer Sanierung stehen sie bei geeigneten Baudenkmälern als «Ersatzteile» zur Verfügung und erhalten so ein neues Leben (siehe auch Artikel zu Denkmalpflege, Zirkularität und die wichtige Rolle des Bauteillagers).

Der Ort – Zeugnis der urbanen Entwicklung

Die Ortsbilder unserer Dörfer und Städte tragen zur Qualität und Identität unserer Umwelt bei. Öffentliche Plätze, Grünflächen und gut gestaltete Infrastrukturen fördern die Gemeinschaft, das soziale Miteinander und die Lebensqualität der Bewohner. Unsere Dorf- und Stadtbilder befinden sich im Wandel. Durch Verdichtung und Umnutzung können die Zersiedelung gebremst und das Kulturland und die Landschaft geschont werden. Die schützenswerten Ortsbilder geraten dadurch jedoch zunehmend unter Druck. Bei ihrer Weiterentwicklung sollen sie ihre nachhaltigen Qualitäten behalten. Eine qualitätvolle Baukultur sorgt für die Bewahrung und Stärkung der regionalen Identität, indem sie das kulturelle Erbe respektiert und integriert. Diese kulturellen Werte sind ein wesentlicher Teil der Nachhaltigkeit, da sie die Verbindung zwischen Mensch und Ort stärken. Wie wir unsere Umwelt gestalten, ist von grosser Bedeutung. Diesem wichtigen Thema wird das Fachwerk 2025 gewidmet sein.

Ortsbild Schüpfen (Foto: Adrian Stäheli, Denkmalpflege des Kantons Bern).

Exkurs: Nachhaltigkeit – Vom Brundtland-Bericht zur «Agenda 2030»

Der Brundtland-Bericht wurde 1987 von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED) der Vereinten Nationen veröffentlicht. Diese Kommission wurde 1983 unter der Leitung der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland gegründet, weshalb der Bericht ihren Namen trägt. Der Brundtland-Bericht hat massgeblich zur globalen Diskussion über Nachhaltigkeit beigetragen und wird oft als Ausgangspunkt für die moderne Nachhaltigkeitsdebatte betrachtet. Er führte den Begriff der nachhaltigen Entwicklung in seiner heute bekannten Form ein und definierte ihn als eine Entwicklung, «die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.»

Den global geltenden Rahmen für die Nachhaltigkeitspolitik bildet seit 2015 die Agenda 2030 der UNO. Darin wurden die «Sustainable Development Goals» (SDGs), auf Deutsch «Ziele für nachhaltige Entwicklung», festgelegt. Diese 17 globalen Ziele sollen bis 2030 erreicht werden und richten sich an alle Länder der Welt – sowohl an Entwicklungs- als auch an Industrieländer. Sie zielen darauf ab, die grossen globalen Herausforderungen wie Armut, Hunger, Ungleichheit und den Klimawandel in einem umfassenden Ansatz zu bewältigen.

In der Schweiz legt die Strategie Nachhaltige Entwicklung (SNE 2023) des Bundes nationale Schwerpunkte fest. Diese beruhen auf dem traditionellen Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung. Sie kann nur durch den gleichzeitigen und gleichberechtigten Einbezug von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft erreicht werden. Ein umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeit schliesst Kultur – und damit Baukultur – als wesentlichen Faktor ein. Denn Kultur ermöglicht und fördert ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Für die gebaute Umwelt spielt sie eine zentrale Rolle. Diesem Umstand trägt die interdepartementale Strategie Baukultur des Bundes Rechnung. Sie übernimmt die Ziele der «Agenda 2030» sowie der «Strategie Nachhaltige Entwicklung» und konkretisiert sie für die Baukultur.

«Kultur als Dimension der Nachhaltigkeit» ist zudem eines der sechs Handlungsfelder der Kulturbotschaft 2025–2028, an denen sich die damit verbundenen kulturpolitischen Stossrichtungen ausrichten. Die Kulturpolitik des Bundes versteht Bauen und Planen als kulturelle Akte und setzt sich für eine umfassend qualitätvolle Entwicklung der gebauten Umwelt ein. Sie stärkt damit Kultur als zentralen Aspekt der Nachhaltigkeit.


Im Kanton Bern legen die Regierungsrichtlinien 2023–2026 Grundlagen für die nachhaltige Entwicklung fest. Das Amt für Kultur orientiert sich an der breitgefassten Nachhaltigkeitsdefinition des Brundtland-Berichtes von 1987 und bekennt sich zu den Sustainable Development Goals (SDGs).

Links und Quellen

  • Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

  • Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030

  • Strategie Baukultur

  • Kulturbotschaft 2025–2028 

  • Bauteile wiederverwenden. Ein Kompendium zum zirkulären Bauen, Eva Stricker, Guido Brandi, Andreas Sonderegger, Marc Angst, Barbara Buser, Michel Massmünster, 2021.

  • Gegen Wegwerfarchitektur, Vittorio Magnago Lampugnani, 2023.

Text: Redaktionsteam

Fotos: Jacques Bélat, Martina Bischof/Kira Kulik, Ducksch Anliker AG, Ariel Huber, Bahoz Issa, Alexander Jaquemet, Roland Juker, André Maurer, Adrian Stäheli

 

Fachwerk 2024

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