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Schüpfen Ziegelried 340

Leben auf dem Land 2.0

Durch den Ausbau eines Ökonomieteils und den Ersatz eines Anbaus ist viel neues Leben in den Weiler Ziegelried oberhalb von Schüpfen eingezogen. Ein Bauernhaus von 1863 erweist sich als Nährboden für gemeinschaftliches Wohnen, nachhaltiges Bauen und viel Kreativität.

Der Ökonomieteil des Bauernhauses von 1863 stand seit einiger Zeit leer (Foto: Ariel Huber).

Der Weiler Ziegelried liegt auf einer Hangterrasse oberhalb von Schüpfen, mit ungehindertem Ausblick ins Seeland. Stattliche Bauernhäuser und kleinere Stöckli aus dem 19. Jahrhundert prägen das Ortsbild. An der zentralen Wegkreuzung rahmen qualitätvolle, grosse Rieghäuser einen intakten Innenraum mit Dorfbrunnen. Wie überall hat auch in Ziegelried die Anzahl der aktiv bewirtschafteten Bauernhöfe abgenommen. So stand der Ökonomieteil des markanten Bauernhauses von 1863, direkt an der Kreuzung, seit einiger Zeit leer.

Als das Bauernhaus zum Verkauf stand, nahmen die bisherigen Mieterinnen und Mieter des Wohnteils Kontakt mit weiteren jungen Familien auf, die teilweise schon seit einiger Zeit auf der Suche nach einem passenden Ort für gemeinschaftliches Wohnen waren. So entstand die Idee, den Ökonomieteil des Bauernhauses umzubauen und neu zu nutzen. Aus dieser Vision entwickelte sich die Wohnbaugenossenschaft «Amsel».

Innere Verdichtung

Die Wohngenossenschaft plante gemeinsam mit einem Architekten-Team den sorgfältigen Umbau des Ökonomieteils zu einer geräumigen Wohneinheit für drei Familien. Der historische Wohnteil des Bauernhauses, der noch viele original erhaltene Elemente aus dem 19. Jahrhundert aufweist, blieb dabei unberührt und bietet weiteren Wohnraum.

Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung standen im Vordergrund: Wo möglich wurden Fundamente, Holz, Ziegel und andere Materialien weiterverwendet. Diese respektvolle Haltung gegenüber dem Bestand ist ein Ansatz, der auch denkmalpflegerischen Grundsätzen entspricht. Die Weiterverwendung des Bestehenden war zwar arbeitsintensiv, dafür konnten bei den Baumaterialien Kosten eingespart werden.

Zum Konzept gehörte der Ersatz der nordseitigen Anbauten durch einen Neubau. Seine Grösse war aufgrund der baurechtlichen Verordnungen begrenzt. Die bestmögliche Gestaltung und Nutzung des neuen Bauvolumens wurden mit Modellen und in einem intensiven gemeinsamen Prozess sorgfältig erarbeitet. In der so entwickelten Form und Gestaltung fügt sich der Neubau optimal in den Bestand ein und wertet die Umgebung auf.

Neue Wohnformen

Die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens führte zu innovativen, zukunftsweisenden Lösungen. Durch das Teilen von Bädern, Küchen und Gemeinschaftsräumen konnten Flächen eingespart werden. Eine Wendeltreppe bildet das Herzstück der inneren Erschliessung. Innerhalb der Grundstruktur entstanden flexible Wohngeschosse mit privaten oder individuell nutzbaren Räumen. Einige Zimmer sind doppelgeschossig und verfügen über eigene Zugänge zum Aussenraum. Zusätzlichen Aussenraum bietet die Laube im oberen Geschoss des Anbaus.

Durch vertikale Öffnungen in der Stotzwand und Glaslamellen in den Dachflächen fällt viel Tageslicht in das oberste Geschoss, das sich als Galerie im Dachraum erstreckt. Die Räume sind hier über eine innen liegende Laube miteinander verbunden.

Nachhaltig in vielerlei Hinsicht

Bei den Bauarbeiten legten die vier Familien angeleitet von Handwerkern und Zimmerleuten selbst Hand an. Das gemeinsame Arbeiten, der Austausch und die kreativen Ideen in der «Bauhütte» festigten den sozialen Zusammenhalt der Gruppe. Ein wichtiger Beitrag dazu war auch der gemeinsame Mittagstisch: Während der Bauarbeiten wurde für alle Anwesenden gekocht – einschliesslich der Bauleute und dem Bauberater der Denkmalpflege. Diese wertvolle Tradition führen die Familien auch nach ihrem Einzug fort.

Die Wohnbaugenossenschaft setzte wo möglich und im Rahmen des Budgets umsetzbar auf heimische, umweltfreundliche und zukunftsorientierte Materialien: Neue Bauteile wurden aus Holz gefertigt, natürliche Kalk- und Lehmputze sowie Zellulose-Dämmungen kamen zum Einsatz.

Heute leben im Bauernhaus in Ziegelried vier Familien statt wie bisher eine. Der Weiler Ziegelried wurde neu belebt – dies ist sicher mit ein Grund, dass er erfreulicherweise nach wie vor über ein eigenes Schulhaus verfügt. Das Projekt zeigt, wie ökologische, ökonomische und soziale Grundsätze sinnvoll verwirklicht werden können – Ziegelried ist bereit für die Zukunft.

Massnahmen

Um- und Anbau, 2018–2023

Bauherrschaft und Projektleitung: Wohnbaugenossenschaft Amsel, Severin Farine

Architekten: ARGE atelier L-art, Johannes Hänggi, und Henriette Lutz

Ausführungsplanung und Bauleitung: Simon Schuhmacher, Interbric Bauformen GmbH, Bern

Baufachleute (denkmalpflegerische Massnahmen): Interbric Bauformen GmbH, Bern (Baumeisterarbeiten, Innenausbau, Gipserarbeiten); Indermühle Bauingenieure GmbH, Thun (Holzingenieurwesen); Aufholz KLG, Niederscherli (Montagebau in Holz);; Thoma Lehm, Kalk & Farbe, Rüeggisberg; Wohnbaugenossenschaft Amsel, Schüpfen (Schreinerarbeiten); Enz GmbH, Bern (Umgebung, Pflästerung)

Denkmalpflege: Rolf Weber, Nils Wimmer

Unterschutzstellung: in Vorbereitung

Beiträge: in Vorbereitung

Das Baudenkmal in Kürze

Bauernhaus von 1863

Das stattliche Bauernhaus steht direkt am Dorfplatz und prägt mit seiner grossen Korbbogenründi das Ortsbild von Ziegelried. Der über einem Sandsteinsockel errichtete Riegbau ist im Erdgeschoss verputzt und weist qualitätvolle Details wie verzahnte Ecklisenen aus sandsteinfarbig gestrichenem Holz und geschwungene, mit Blech bedeckte Laubenbrüstungen auf. Eine breite, umlaufende Sandsteinterrasse und die mächtige Hocheinfahrt unterstreichen seinen grosszügigen Charakter.

  • Bauinventar online

Text: Barbara Frutiger

Fotos: Ariel Huber

Fachwerk 2024

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