Der Architekt Marcel Hegg hat die Restaurierung des Centre Albert Anker in Ins begleitet. Mit dem neuen Kunstpavillon – einem reinen Holzbau in zeitgenössischer Architektursprache – hat er eine Verbindung von Tradition und Innovation geschaffen. Im Interview gibt Marcel Hegg Auskunft über nachhaltige Baumaterialien, Schönheit und verlorenes Wissen.

Marcel Hegg, Was bedeutet «nachhaltiges Bauen» für Sie als Architekt?
Nachhaltiges Bauen ist für mich der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen und Energie und bedeutet – vor allem – qualitativ gute Architektur zu machen. Schöne und gesunde Gebäude schaffen Identität und sind dauerhaft.
Welche Bedeutung kommt dem Thema im Baubereich aus Ihrer Sicht zu, insbesondere mit Blick auf die Zukunft?
Das Thema Nachhaltigkeit zieht riesige Kreise und wird ganz unterschiedlich verstanden. Ich denke, das Wichtigste ist, bereits ganz am Anfang eines Bauprojekts die richtigen Fragen zu stellen. Manchmal ist die Bauaufgabe als solche nicht nachhaltig, oder die Weichen für das Bauvorhaben wurden früh falsch gestellt. Die Architektinnen und Architekten müssen Verantwortung übernehmen und ganzheitlich denken. Gute Diskussionen mit den Auftraggebenden sind entscheidend.
Marcel Hegg
Marcel Hegg ist Inhaber des Architekturbüros Atelier Marcel Hegg in Biel/Bienne. Nach dem Bachelor-Abschluss an der Berner Fachhochschule Architektur war er langjähriger Projektleiter bei gasser, derungs Innenarchitekturen in Zürich. Zu seinem Tätigkeitsfeld gehören heute Architekturprojekte im Kunst- und Kulturbereich, denkmalpflegerische Objekte und szenografische Rauminstallationen.

Welchen Bezug haben Sie persönlich zum Thema Nachhaltigkeit?
Ich habe während meiner Tätigkeit als Architekt insbesondere beim Umbau von Baudenkmälern festgestellt, wie gut historische Konstruktionen und Materialien in sich funktionieren und wie sie bauphysikalisch harmonieren. Neuere Materialien wie Zement und Kunststoffe stören diese Harmonie, dadurch können Bauschäden entstehen. Oft genügt es bei historischen Bauten, die jüngeren Schichten zu entfernen. Im Unterschied zu nachträglichen Zutaten sind die darunterliegenden originalen Materialien meist intakt. Hier haben sich mir die Vorzüge der natürlichen Materialien und traditionellen Bauweisen 1:1 gezeigt und ich habe begonnen, mich vertieft mit dem einfachen Bauen und mit natürlichen Materialien auseinanderzusetzen.
Was verstehen Sie unter einem «nachhaltigen» Baumaterial?
Nachhaltig sind für mich Materialien, welche in der Herstellung, Verarbeitung und im Rückbau wenig Energie benötigen. Traditionelle Materialien erhalten seit einigen Jahren durch gute zeitgenössische Architektur wieder mehr Aufmerksamkeit. Holz, Lehm, Kalk, Stroh, Hanf beispielsweise haben hervorragende bauphysikalische Eigenschaften und sind gerade im Bereich des einfachen Bauens beliebte Baustoffe.

Welche Vorteile haben diese Baustoffe, welche Nachteile?
Natürliche Materialien sind atmungsaktiv und besitzen eine gewisse Lebendigkeit. Häuser aus Naturbaustoffen üben eine positive Wirkung auf den Menschen aus, man fühlt sich wohl darin und alle Sinne werden angesprochen. Wie bei allen anderen Materialien sind auch bei den natürlichen Materialien ein korrekter Einsatz und eine fachgerechte Verarbeitung entscheidend. Leider gibt es heute nicht mehr viele Handwerker, welche sich mit den traditionellen Materialien und Bauweisen auskennen. Viel Wissen ist verloren gegangen.
Welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit in Bezug auf Baudenkmäler?
Baudenkmäler sind für mich der Inbegriff von Nachhaltigkeit. Sie zeichnen sich aus durch Dauerhaftigkeit, Tradition, Identität, Schönheit. Sorge tragen zum baukulturellen Erbe ist dadurch auf verschiedenen Ebenen nachhaltig.
Weshalb haben Sie für den Kunstpavillon des Centre Albert Anker in Ins den Baustoff Holz gewählt?
Der Kunstpavillon ist eine Übersetzung des traditionellen Speicherbaus in eine zeitgenössische Architektursprache. Der Baustoff Holz nimmt eine zentrale Rolle ein. Der innere, geschlossene Raumkörper besteht aus reinen Vollholzwänden, die ein konstantes Klima für die Kunstgegenstände ermöglichen. Der umlaufende Laubengang aus robustem Eichenholz schützt diese innere «Schatzkiste» vor Witterungseinflüssen. Ein bewusster Umgang mit dem Holz war ein wichtiger Faktor während des gesamten Bauprozesses. Das richtige Holz am richtigen Ort einsetzen, Eiche, Weisstanne und Fichtenholz aus der Region verwenden, Bäume in den Wintermonaten bei korrekter Mondphase fällen, dokumentieren der ganzen Wertschöpfung vom Baum bis zum Bauteil.
Centre Albert Anker
Das «Anker-Haus» an der Müntschemiergasse 7 in Ins ist das Geburtshaus von Albert Anker. Sein Grossvater, Tierarzt Rudolf Anker (1750–1817), liess 1803 das hölzerne Bauernhaus errichten. Albert Anker liess unter dem Dach ein Atelier einrichten, das er nach seiner Rückkehr aus Paris 1890 noch vergrösserte. Das historische Haus blieb nach dem Tod von Albert Anker während sieben Generationen im Besitz der Familie, welche das Erbe mitsamt der Innenausstattung in weitestgehend originalem Zustand beliess und pflegte. Seit 1994 gehört es der Stiftung Albert Anker-Haus Ins.
Umbau des historischen Künstlerhauses
Mit dem Projekt «Vom Ankerhaus zum Centre Albert Anker» setzte sich die Stiftung zum Ziel, das Anker-Haus als einmaliges Zeitdokument zu erhalten und seine Infrastruktur heutigen Standards anzupassen. Zudem soll Ankers Kunst und Wirkungsstätte einem interessierten Publikum didaktisch vermittelt werden.
Im ehemaligen Ökonomieteil mit Tenn und Stall ist das neue Empfangszentrum mit einer Empfangstheke und einem Vermittlungsraum untergebracht – das neue Herzstück des Centre Albert Anker. In den verschiedenen Bühnen- und Dachräumen wurde nebst einem informativen multimedialen Rundgang zum Leben und Wirken des Künstlers auch eine neue Verbindung zum historischen Atelier geschaffen.
Dialog zwischen Tradition und Innovation: Der neue Kunstpavillon
Für die sichere Aufbewahrung und museale Präsentation der wertvollen Kunst- und Kulturgüter wurde im Nordostteil des Gartens ein Neubau in Vollholz errichtet. Mit seiner zeitgenössischen Architektursprache entstand somit zwischen dem historischen Anker-Haus und dem Neubau ein vielschichtiger Austausch zwischen Tradition und Innovation – einer der Gründe für die Auszeichnung 2024 mit dem Prix Lignum Region Mitte.
Mit dem Umbau des Anker-Hauses und dem Neubau des Kunstpavillons ermöglicht das Centre Albert Anker in Ins, das kulturhistorisch einzigartige Erbe des international tätigen und bekannten Schweizer Malers im Kontext seiner Zeit zu erleben.

Interview: Barbara Frutiger
Fotos: Barbara Frutiger, Alexander Jacquemet
Fachwerk 2024