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Speicher – Lagerhaus als Schaustück

Im Speicher lagerte früher die Getreideernte eines Gehöfts. Auch Wertgegenstände wurden hier aufbewahrt. Die oft aufwendig dekorierten Kleinbauten sind wertvolle Zeugen der damaligen Handwerkskunst. Ihre Weiternutzung lohnt sich und sichert den Erhalt.

Die dekorativen Bauten kamen als Schaustück oft nahe der Strasse zu stehen, so auch der Speicher von 1780 in Wyssachen (Foto: Matthias Schneider).

Seit dem Mittelalter ist der Getreidespeicher ein wichtiger Begleiter des Bauernhauses. Der fensterlose Lagerbau diente bis ins frühe 20. Jahrhundert auch als Aufbewahrungsort für Nahrungsmittel, Leinentücher, Kleidungsstücke und weitere Wertsachen wie Schriftstücke.

Zeitgenössische Diebstahlberichte geben uns ein genaues Bild über die kostbarsten Inhalte: Nicht etwa das Korn, sondern das Tuch und die Trachten gehörten zum beliebtesten Diebesgut. Speicher standen meist leicht versetzt vor der Stubenfront damit man sie gut im Blickfeld behielt. Für alle gut sichtbar kamen die dekorativen Bauten als Schaustück oft auch nahe der Strasse zu stehen.

Holz – ein kostbarer Baustoff

Holz – ein kostbarer Baustoff: Beim Bau des Speichers von 1746 in Bätterkinden wurden Hölzer eines älteren Blockbaus wiederverwendet (Foto: Alexander Kobe, Denkmalpflege des Kantons Bern).

Schriftquellen belegen, dass schon im 18. Jahrhundert vereinzelt Speicher zum Verkauf angeboten wurden. Als «Fahrhabe», bewegliches Gut, konnten sie dank ihrer Konstruktionsweise als Block-, Ständer- oder Mischbau relativ leicht abgebaut und versetzt werden. Für die Wiederverwendung einzelner Holzelemente in neuen Bauten eignete sich die Hälblings-Ständerbauweise besonders gut. Dendrochronologische Analysen von Bauhölzern durch den Archäologischen Dienst belegen, dass schadhafte Hälblinge bereits im frühen 18. Jahrhundert gekürzt und in neue Ständersysteme eingepasst wurden.

Dies zeigt sich an einem Speicher in Bätterkinden. Die dendrochronologischen Daten verschiedener Eichen- und Fichtenhölzer bestätigen die Inschrift 1746 am Firstbug als Entstehungsdatum. Für seinen Aufbau hat man allerdings auch Hölzer eines älteren Hälblings-Blockbaus wiederverwendet. Diese sind in die Jahre um 1637 datiert. Gegenüber anderen Konstruktionsformen verbrauchte der reine Hälblings-Blockbau sehr viel Holz. Wohl deshalb kommen Neubauten in dieser Bauweise ab Mitte des 18. Jahrhunderts kaum mehr vor. Wiederverwendet hat man ältere Hälblinge aber gerne, was vom Bewusstsein für die Kostbarkeit des nachhaltigen Baustoffs Holz zeugt.

Geeignete Weiternutzung als Knackpunkt

Der Speicher im Dorfkern von Landiswil beherbergt ein aussergewöhnliches Hoflädeli (Foto: Roland Juker).

Durch den wirtschaftlichen Fortschritt und die Mechanisierung der Landwirtschaft hat der Speicher seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nach und nach seinen Zweck als Vorratskammer verloren. Die Frage nach einer geeigneten Nutzung ist zentral. Will man die äussere und innere Erscheinung eines Speichers erhalten, stösst man bei einer Umnutzung an Grenzen. Zusätzliche Öffnungen für die bessere Belichtung, Dämmungen oder andere Installationen zerstören historische Bausubstanz und verändern den Charakter des Bauwerks massgeblich. Eine dauerhafte Wohnnutzung bietet sich daher nicht an.

Beispiele für passende Nutzungen eines Speichers gibt es jedoch: weiterhin als Lagerraum – zwar nicht mehr für Korn und Tuch, aber für andere Gerätschaften, als Hofladen, als Museum oder als einfache Übernachtungsmöglichkeit. Ein aussergewöhnliches Hoflädeli mit Glacestand beherbergt der Speicher im Dorfkern von Landiswil. Ein kleines Familienmuseum mit Gegenständen vom Hof, historischen Werkzeugen, alten Dokumenten und vielem mehr befindet sich im sanierten Speicher in Heimiswil.

Im Notfall: neuer Standort

Da jeder Speicher Teil des Gehöfts und dessen Geschichte ist, sollte eine Versetzung nur im Ausnahmefall erfolgen – obwohl dies durch die qualitätvolle Konstruktion meist gut machbar ist. Wenn jedoch der Erhalt in akuter Gefahr oder der ursprüngliche Kontext nicht mehr gegeben ist, kann die Versetzung eine Massnahme zur Rettung darstellen. Der neue Kontext muss jedoch sowohl zeitlich als auch geographisch geeignet sein.

Ein in Wyssachen, Stutz nahe der Strasse stehender Speicher war durch den Nutzverkehr stark gefährdet. Heute steht der Speicher saniert zwischen Obstbäumen auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Die Verbindung zum Bauernhaus ist nach wie vor gegeben. Bei der Versetzung eines Speichers aus Biglen wurden die teilweise stark beschädigten Hölzer ersetzt. Anschliessend wurde der demontierte Bau am neuen Standort in der Nachbargemeinde Arni wieder aufgebaut. Dort dient er neu als Museum. Ein Speicher in Petit-Val, L’Oeuchatte von 1769 ersetzt heute einen unterkellerten Speicher des Nachbarsgehöfts, den man nicht erhalten konnte.

Text: Maria D'Alessandro, Andrea Liechti

Fotos: Arpad Boa, Bahoz Issa, Alexander Kobe, Dominique Plüss, Matthias Schneider

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