Diamantquaderdekor in leuchtenden Farben
Von aussen eher unscheinbar, birgt das älteste Haus der Gemeinde Wald einen Kellerraum mit aussergewöhnlichem Wanddekor. Die Baugeschichte gibt Rätsel auf. Bauforscher, Archäologen und Restauratoren begaben sich auf Spurensuche.

Am Anfang schien alles klar. Am Rande des Weilers Kühlewil steht eines der ältesten Kleinbauernhäuser auf dem Längenberg, 1639 datiert. Zu dieser Einschätzung passen die Wiederverwendung von Baumaterial und die Erweiterung in mehreren Phasen.
Doch im Untergeschoss kam bei Untersuchungen etwas ganz Besonderes zum Vorschein: Entlang der Wände zeichnen sich in den Putz geritzte Diamantquader mit Resten kräftiger Farbgebung ab. Eine solch aufwendige Dekoration lässt auf eher wohlhabende Auftraggeber schliessen. Hatte der Bau also ursprünglich eine andere Funktion oder gehört der Keller zu einem älteren Vorgängerbau?
Bauforschung als Teamwork
Um das Haus und seine Geschichte besser zu verstehen, mussten Schriftquellen erschlossen und die Bausubstanz analysiert werden. Nur dank intensiver Zusammenarbeit von Spezialistinnen und Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen, koordiniert durch das Team Bauforschung der Denkmalpflege, konnten neue Erkenntnisse gewonnen werden. Der Architekt und Bauforscher Albrecht Spieler sorgte für verformungsgerechte Pläne des Hauses.
Das Dendrolabor des Archäologischen Dienstes konnte die Fälldaten einer ganzen Reihe verbauter Hölzer bestimmen. Als Glücksfall erwies sich die Kooperation mit dem Studiengang Konservierung und Restaurierung der Hochschule der Künste Bern. Angeleitet von Jonas Roters untersuchten Studierende der Vertiefungsrichtung Architektur und Ausstattung die farbig gefassten Oberflächen.
Anne Zumstein sorgte in ihrer Master-Thesis für eine umfassende Analyse der aussergewöhnlichen Wandgestaltung des Kellerraums. Im Rahmen des Lehrgangs Handwerker/in in der Denkmalpflege hat Florian Schiesser die Baustruktur aus der Perspektive des Holzbauers analysiert.
Diamantquader in kräftigen Farben
Das Ergebnis ist bemerkenswert: Alle Befunde sprechen für eine bauzeitliche Ausführung der Dekoration im Untergeschoss. Die eingeritzte Quaderstruktur und die Malerei ist mit dem Deckputz der Wände als Einheit entstanden. Sie bindet die rechteckige Nische ein, deren kleine Vertiefung ursprünglich mit einem eingeschobenen Brett verdeckt werden konnte und als Versteck für Wertsachen gedient haben könnte.
Die Probereinigung und punktuelle Festigungen durch Anne Zumstein lassen einen von kräftigen Farben geprägten Raumeindruck erahnen. Es gibt zwar Beispiele für Quadermalerei in Kellerräumen. Doch das Motiv der Diamantquader schmückt in der Regel Fassaden von Herrschaftsbauten. Für die konsequente Umsetzung in einem Lagerraum und die ausgeprägte Farbigkeit fehlen bislang Vergleichsbeispiele.
Aus gross wird klein?
Die Dendroanalyse der eingemauerten Deckenbalken belegt, dass der reich geschmückte Keller 1639 entstanden ist. Die gleiche Jahreszahl ist am Tennstor-Sturz eingekerbt. Der Raum gehört also nicht zu einem älteren Vorgängerbau. Stattdessen deuten Unregelmässigkeiten in der Holzkonstruktion und andere Indizien darauf hin, dass der Keller ursprünglich zu einem grösseren Haus gehörte, das später verkleinert neu aufgebaut wurde. Das Kleinbauernhaus ist aus den Teilen des grösseren Vorgängerbaus von 1639 entstanden.
In den Urkunden ist bereits 1774 von der «sogenannten kleinen Behausung» die Rede. Damals war das Haus im Besitz der Familie Fischer. Conrad Fischer und seine Söhne gehörten zur wohlhabenden bäuerlichen Oberschicht. Sie amteten als Gerichtssässen und besassen weitere, repräsentativere Anwesen. Erst 1776 gelangte unser – als «Geschiklj» bezeichnetes – Haus mit umliegendem Land in den Besitz eines Handwerkers. Christen Portenier betrieb darin bis 1807 eine Drechsler-Werkstatt.
Es folgte der für die Häuser von Handwerkern und Kleinbauern typische Ausbau in kleinen Schritten: Bendicht Krebs liess 1841 die Fassaden der Stube auswechseln. Samuel Schmutz sorgte in den Jahren vor 1895 für eine Verbreiterung des Wohnteils. Auf den älteren Fundamenten des Vorgängerbaus von 1639 errichtete man die Aussenwände der zweiten Stube. Dabei kamen Steine und Fenstergewände eines zuvor abgebrochenen Ofenhauses zum Einsatz.
Massnahmen
Bauanalyse und Dokumentation vor Umbau, 2023/24
Bauherrschaft: Beat Blatter, Zimmerwald
Verformungsgerechtes Aufmass: Albrecht Spieler, Münsingen
Restauratorische Untersuchung: Studierende des Studiengangs Konservierung und Restaurierung der Hochschule der Künste Bern unter der Leitung von Jonas Roters; Florian Schiesser, Lehrgang Handwerker/in in der Denkmalpflege
Archäologischer Dienst: Markus Leibundgut, Matthias Bolliger
Denkmalpflege: Peter Ernst, Markus Thome
Unterschutzstellung: Kanton 2014
Das Baudenkmal in Kürze
Bauernhaus von 1639
Bei diesem weithin sichtbaren Hochstudhaus handelt es sich um das älteste erhaltene Bauernhaus der Gemeinde Wald. Es liegt nördlich ausserhalb des Weilers Kühlewil, etwas abseits der Strasse und ist eine frühe Variante des typischen Kleinbauernhauses, wie sie auf dem unteren Längenberg häufig vorkommt. Das Gebäude steht über einem Sockel aus Bruchstein und weist ein eindrückliches Vollwalmdach mit zwei Hochstüden auf. Im westlichen, gemauerten Bereich des Erdgeschosses befand sich vermutlich ehemals ein Ofenhaus. Viel originale Bausubstanz blieb erhalten, insbesondere die Schwellenschlösser oder die zeittypisch gestalteten Brettbaluster der Seitenlaube. Der Ökonomieteil hingegen wurde erneuert, die Haustür ersetzt.
- Das Kleinbauernhaus ist aus den Teilen des grösseren Vorgängerbaus von 1639 entstanden (Foto: Markus Thome, Denkmalpflege des Kantons Bern)..
- Der Keller mit der aussergewöhnlichen Dekoration gehörte wohl zu einem grösseren Vorgängerbau (Foto: Markus Thome, Denkmalpflege des Kantons Bern).
- Blick von der Küche in die kleine Stube; Befunde in diesem Bereich zeugen von mehreren durchgreifenden Umbauten (Foto: Markus Thome, Denkmalpflege des Kantons Bern).
Text und Fotos: Markus Thome
Fachwerk 2024