Wiederverwendung von Bauteilen – ein altes Thema
Bei der aktuellen Sanierung von Bauernhaus und Stöckli entdeckte man zahlreiche Bauteile, die von Vorgängerbauten stammten und wiederverwendet wurden. Das Villettengut geht mit viel Originalsubstanz in eine neue Ära.
Der bauliche Kern des Villettenguts, ein Bauernhaus mit angebauter Scheune und ein Stöckli, ist eng mit dem Steinhauermeister Christian Reber verbunden, von ihm stammt auch die markante Sandsteinrosette im Giebelfeld des Bauernhauses. Reber kaufte das Gut 1853 und liess 1862 den Wohnteil des Bauernhauses neu errichten. Die Scheune war bereits 1847 ersetzt worden.
Im Verlauf der aktuellen Sanierung stellte sich heraus, dass im 19. Jahrhundert – beim Bauernhaus wie beim Stöckli – erstaunlich viel Baumaterial und etliche Ausstattungselemente der Vorgängerbauten wiederverwendet worden waren. Bei der aktuellen Sanierung investierten Architekten und Bauherrschaft viel Zeit in die Planung des Umbaus. So sind unkonventionelle Lösungen entstanden, welche die Qualitäten des Baudenkmals optimal nutzen und dieses an die heutigen Bedürfnisse anpassen.
Zum Blickfang wurde die ehemalige Rauchküche: Hier ist nun – in einzigartigem Ambiente – ein Badezimmer untergebracht. Auch sonst blieb viel originale Bausubstanz erhalten, beispielsweise die wunderbaren Böden aus der Bauzeit oder dank neuer Vorfenster sogar die hochwertigen historischen Fenster.
Massnahmen
Sanierung und Umbau, 2019–2024
Bauherrschaft: Christine und Urs Breitenmoser-Würsten
Architekten: Häberli Architekten AG, Bern, Annette Löffel und Daniele di Francesco
Baufachleute (denkmalpflegerische Massnahmen): Stiftung Terra Vecchia, Gümligen (Zimmer- und Schreinerarbeiten, Verputz); OptiMaler GmbH, Bern; Baugeno, Biel Genossenschaft (Baumeisterarbeiten); Berner Münster Stiftung Münsterbauhütte, Bern (Natursteinarbeiten); André Kletzl Metallbau, Brügg (Vorfenster)
Archäologischer Dienst: Leta Büchi
Denkmalpflege: Daniel Gygax, Hans Peter Würsten
Unterschutzstellung: in Vorbereitung
Beiträge: Kanton (Lotteriefonds/SID)
Das Baudenkmal in Kürze
Bauernhaus von 1847/62
Das Wohnhaus mit Scheune bildet zusammen mit dem Stöckli Villettengässli 2 den baulichen Kern des sogenannten Villettenguts. Der Name geht zurück auf Jean Blanche, einem Handelsmann aus Villette im Kanton Waadt, der das Anwesen von 1834 bis 1840 besass. Im Kern stammen die Bauwerke aus dem späten 18. Jahrhundert, sie entwickelten sich in mehreren Etappen zur heutigen Erscheinung. Diese geht vorwiegend zurück auf den Steinhauermeister und Gemeinderatspräsident von Muri, Christian Reber, der das Villettengut 1853 kaufte. Der Ökonomieteil wurde bereits 1847 ersetzt, der Wohnteil 1862 von Reber in den alten Grundrissdimensionen mit drei Wohngeschossen neu errichtet. Dabei wurde erstaunlich viel Baumaterial und Ausstattungselemente des Vorgängerbaus wiederverwendet. Der ockerfarbig verputzte Ständerbau weist giebelseitig eine eigenwillige Fassade mit verschiedenen Fensterformen und einfachen Brettlisenen auf. In den unteren beiden Geschossen berühren die Fenster den Stockwerkgurt, die Fenster im 2. Obergeschoss sind niedrig und beinahe quadratisch. Eine Sandsteinrosette, Erkennungszeichen von Christian Reber, ziert das Giebelfeld. Das Stöckli, ursprünglich ein Ofenhaus, wurde zwischen 1817 und 1841 um ein Wohngeschoss aufgestockt. 1870 erhielt das schmale Gebäude einen traufseitigen Anbau mit einer Wagnereiwerkstatt. Bauernhaus wie Stöckli sind bezüglich Details, Proportionen und ihrer Bau- und Wiederverwendungsgeschichte Unikate.
- Beim Ersatz des Wohnteils und der Scheune wurde im 19. Jahrhundert viel Baumaterial der Vorgängerbauten wiederverwendet (Foto: Häberli Architekten AG).
- Viel originale Bausubstanz blieb erhalten, beispielsweise die Böden aus der Bauzeit oder dank neuer Vorfenster sogar die hochwertigen historischen Fenster (Häberli Architekten AG).
- Zum Blickfang wurde die ehemalige Rauchküche: Hier ist nun ein Badezimmer untergebracht (Foto: Häberli Architekten AG).
Text: Barbara Frutiger
Fotos: Häberli Architekten AG
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